Luckenwalde: Hutfabrik

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

1921 – 1923

Architekt: Erich Mendelsohn

Industriestraße 2, Luckenwalde

Die Hutfabrik in Luckenwalde zählt zu den bedeutendsten Beispielen des Industriebaus der Moderne im frühen 20. Jahrhundert. Sie wurde 1921 bis 1923 nach Plänen des Architekten Erich Mendelsohn errichtet.

Hutfabrikation in Luckenwalde

Die Stadt Luckenwalde in Brandenburg war Mitte des 19. Jahrhunderts neben Guben der zweite wichtige Standort der deutschen Hutfabrikation.

Textilherstellung und -verarbeitung hatten in Luckenwalde eine lange Tradition. Bis Ende des 18. Jahrhunderts lag die Produktion in den Händen von Handwerksmeistern. Im Zuge der Industrialisierung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden immer mehr Textilfabriken in Luckenwalde gegründet.

Im Jahr 1889 vereinigten sich die Hutarbeiter im Luckenwalder Hutarbeiterverband, der 1929 rund 3.000 Mitglieder zählte.

Firma Steinberg & Co.

Seit 1844 stellte die Firma Steinberg in Luckenwalde Tuche her, die sie seit 1870 in ihrer eigenen Hutfabrik verarbeitete. Dank erfolgreicher Geschäftspolitik expandierte die Firma rasch. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war sie der stärkste Konkurrent der ebenfalls in Luckenwalde ansässigen Hutfabrik Herrmann.

1919 lernte Gustav Herrmann, der mittlerweile die Leitung der Firma von seinem Onkel Salomon übernommen hatte, in Berlin den jungen Architekten Erich Mendelsohn kennen.

Erich Mendelsohn

Mendelsohn hielt um den Jahreswechsel 1918/1919 im Berliner Salon von Molly Philippson eine Reihe von acht Vorträgen.

In diesen warb er für eine neue Architektur, die den neuen Nutzungen, gesellschaftlichen Gegebenheiten und technischen Möglichkeiten von Eisen und Eisenbeton gerecht werden soll.

Herrmann engagierte Mendelsohn noch 1919 für gleich drei Bauaufgaben in Luckenwalde: einen Gartenpavillon, eine Arbeitersiedlung des von Hermann mitbegründeten Luckenwalder Bauvereins sowie den Umbau seiner Firma.

In der Folge entwickelte sich eine langjährige Freundschaft zwischen den Familien Mendelsohn und Herrmann.

Am 1.1.1921 fusionierten die Firmen Steinberg und Herrmann.

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Neubau Fabrikgebäude

Für die Firma Friedrich Steinberg Herrmann & Co. entwarf Mendelsohn seit November 1921 einen Neubau im kürzlich ausgewiesenen Industriegebiet im Südwesten Luckenwaldes.

In einer Serie von Skizzen, die er am Ostseestrand und im Studio in Tusche oder farbiger Kreide zeichnete, entwickelte Mendelsohn seinen Entwurf.

Richard Neutra

Über diese farbigen Skizzen berichtete Richard Neutra, der als junger Architekt zu dieser Zeit im Bauamt Luckenwalde arbeitete:

„Meine Kollegen im Bauamt zeigten mir eines Tages einige gewagte Farbskizzen für eine Hutfabrik. Diese Zeichnungen hatte ein Mann mit Namen Erich Mendelsohn vorgelegt.

Ich fand sie sähen aus wie expressionistische Kunst und es war immerhin seltsam, es zu wagen, sie einem städtischen Bauinspektor in Luckenwalde zu unterbreiten.“

Neutra wechselte daraufhin in das Büro von Erich Mendelsohn. Dieser benötigte dringend Unterstützung, da er 1921 sein linkes Auge durch eine Krebserkrankung verloren hatte.

Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkung reichte er im November 1921 den Bauantrag für die geplante Hutfabrik ein.

Planung

Ausgehend vom Produktionsablauf entwarf er eine spiegelsymmetrische Gesamtanlage, auf deren Mittelachse die Gebäude angeordnet waren.

Hinter dem Pförtnerhaus direkt an der Industriestraße folgten die Färberei, die Produktionshallen sowie das Kessel- und Maschinenhaus.

Ein Industriegleis verlief entlang dem Gelände, über das Rohstoffe und Brennmaterial angeliefert und die Produkte versandt werden konnten.

Mit den Arbeiten an den Fabrikationshallen und der Färberei wurde im März 1922 begonnen.

Im Juli 1923 begann die Produktion am neuen Standort.

In seinem 1930 erschienenen Buch ‚Erich Mendelsohn – Das Gesamtschaffen eines Architekten‘ ist die Fabrikanlage wie folgt beschrieben:

‚Neubau der Hutfabrik Friedrich Steinberg, Herrmann & Co. Luckenwalde. Erbaut 1921/23.
Langgestrecktes Industriegelände. Doppelseitiger Produktionsgang für Haar- und Wollhüte. Infolgedessen zentrale Lage der Nassbetriebe, der Färberei und der Kraftstation.

Bauphasen: 1. Rohfabrikation: Hallen und Färberei, nach beiden Seiten erweiterungsfähig, desgl. 2. Kraftstation: Kessel- und Maschinenhaus am Eisenbahngleis für zwei Steilrohrkessel und zwei Turbogeneratoren. 3. Einfahrt als Torhäuser. 4. Schlußbauteil der Fertigfabrikation, noch nicht ausgeführt.

Geplant als Hochtrakt hinter dem Eingang. Dadurch wird Färberei zur Dominante des Innenhofes. Material: Eisenbetonbinder, Wände in Mauerwerk, Ruberoiddächer.‘

Färberei

Die Grundmaße des Färbereigebäudes mit dem auffallenden Hut-Dach betragen 14 x 50 m, bei einer maximalen Höhe von 17 m am Lüftungsaufsatz.

Eine mit Ziegelmauerwerk ausgefachte Konstruktion öffnet sich im Erdgeschoss durch durchlaufende spitzwinklig auslaufende Fensterbänder.

Spitzwinklig zulaufende Fenster prägen die Dachflächen.

Produktionshallen

Im direkten Anschluss an die Färberei entstanden vier lichtdurchflutete Produktionshallen mit einer Grundfläche von 150 x 56 m. Jeweils 31 Betonrahmenbinder im Achsabstand von 5 m überspannen die vier je 14 m breiten Hallen.

Ihre sich nach unten verjüngenden Pfeiler wurden konstruktiv so verbunden, dass ein durchlaufender Rahmenträger entstand.

Belichtet sind die Hallen durch Glassatteldächer auf Dreigelenksbogenbindern aus Holz.

Die Dachflächen unterhalb der Lüftungslamellen waren mit Ruberoid, einer Dachpappe, gedeckt.

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Hutfabrik, 1921-1923. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Fertigfabrikation

Der von Erich Mendelsohn in seinem Buchbeitrag erwähnte Schlussbauteil der Fertigfabrikation wurde nie ausgeführt.

Die Fertigfabrikation der Hüte verblieb bis zum Ende der Firma 1935 in den beiden Luckenwalder Stammhäusern von Steinberg in der Treuenbrietzener Straße und Herrmann in der Potsdamer Straße.

Nach 1933

1932 starb Gustav Herrmann. Nach der erzwungenen Emigration einiger Angehöriger der Familie Herrmann im Jahr 1933 führte Friedrich Steinberg zunächst die Geschäfte weiter.

1934  musste er die Firma an die Norddeutsche Maschinenbau AG (Nordeuma) zwangsverkaufen. Nordeuma begann in Luckenwalde Flugzeugkanonen und Flugabwehrwaffen zu produzieren.

1936 ersetzte man die Überdachung der Torhäuser durch eine Betonplatte und baute im Osten daran angrenzend ein weiteres Produktionsgebäude.

Östlich und westlich der ehemaligen Färberei wurden 1941 durch Paul Renner Anbauten errichtet.

Das Hutdach der Färberei und das Belüftungssystem wurden mit der Begründung abgerissen, die Fabrik vor eventuellen Bombenangriffen zu schützen.

Denkmalschutz und Sanierung

Bereits im Jahr 1976 nahm man Mendelsohns Hutfabrik wegen ihrer architekturhistorischen Bedeutung in die Denkmalliste des Bezirks Potsdam und 1991 in die Denkmalliste des Landes Brandenburg auf.

Ein 1999 gegründeter Förderkreis ermöglichte den Erhalt und die teilweise Sanierung der Industrieanlage.

Mit Hilfe von URBAN-Fördermitteln baute man in den Jahren 2006 und 2011 die Färberei wieder auf und rekonstruierte die charakteristische Dachhaube.

Bis zum heutige Zeitpunkt war es nicht möglich eine ständige Nutzung der Gebäude zu realisieren, sie stehen immer noch leer.

 

 

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