Architektur der Moderne

Aufbruch

Der Aufbruch in die Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts manifes­tierte sich in
der westlichen Welt nicht nur in der Architektur, sondern in den unter­schied­lichsten Bereichen der Gesellschaft.

Wissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfindungen trugen zu einer bisher nie gekannten Beschleunigung des mensch­lichen Lebens bei.

Industrialisierung und Urbanisierung hatten bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts alle Lebensbereiche verändert.

Die zuneh­mende Elektrifizierung und die neuen Massenverkehrsmittel beschleu­nigten diese Entwicklung seit der Jahrhundertwende und beein­flussten wesentlich die ästhe­ti­schen Erfahrungen.

Die Abkehr vom Historismus in der Architektur und die Suche nach neuen Ausdrucks- und Lebensformen wurden zum Ausgangspunkt einer Vielzahl von künst­le­ri­schen und sozialen Strömungen.

Sie reichten vom Jugendstil, der Lebens- und Hausreformbewegung über das Konzept der Gartenstadt, der Gründung des Werkbunds bis hin zur Institutionalisierung des sogenannten Neuen Bauens mit der Entstehung des Bauhauses in Weimar und später auch Dessau.

Unmittelbar vor und nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland ein Versuchsfeld der archi­tek­to­ni­schen Moderne, getragen vom Anliegen, die Veränderung der Lebensverhältnisse müsse ihre Entsprechung im Ausdruck moderner Bauten finden.

Ein von überlie­ferten Vorbildern befreites Wohnen, der soziale Wohnungsbau sowie neue Formfindungen für gemein­nützige und kirch­liche genauso wie technische und gewerb­liche Bauten waren zentrale Themen in den stark wachsenden Großstädten.

Paradigmenwechsel

Der Wechsel hin zu einer modernen Architektur vollzog sich im späten 19. Jahrhundert aus unter­schied­lichen Beweggründen.

Die Suche nach einem angemes­senen und allgemein gültigen Baustil gehörte zu den wichtigsten Fragen der Baukunst im 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich langsam eine Veränderung der Lebensbedingungen in den Städten durch: Erschwingliche moderne Wohnungen mit Licht und Luft sollten die alten Mietskasernen mit ihren zahlreichen steinernen und dunklen Hinterhöfen ablösen und sie für alle Bevölkerungsschichten verfügbar machen.

Wohnanlage, 1927. Architekt: Mies van der Rohe

Stuttgart: Wohnanlage Weißenhof Siedlung, 1927. Architekt: Mies van der Rohe. Foto: Daniela Christmann

Der Einsatz von Materialien wie Glas, Eisen, Zink, Stahl und Beton schuf ganz neue Möglichkeiten des Bauens.

Vor allem anlässlich der Weltausstellungen drängte es die europäi­schen Staaten nach Selbstdarstellung ihrer Leistungen. In den gastge­benden Städten errichtete man zu diesem Zweck erstmals riesige Ausstellungshallen aus Stahl und Glas.

Erfahrungen mit diesen Materialien bestanden bereits seit der Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Fabrikhallen, Bahnhöfe und Gewächshäuser zu neuen Bauaufgaben wurden und die verän­derten techni­schen Möglichkeiten weitge­spannte Konstruktionen mit vorge­hängten Fassaden erlaubten.

Am Ende des 19. Jahrhunderts spürte man eine Ernüchterung in Bezug auf die Architektur des Historismus, dessen akade­mische Gelehrsamkeit nichts dazu beigetragen hatte die drängenden sozialen Probleme zu lösen.

Die Ablehnung der tradi­tio­nellen Architekturformen wurde so zum Ausgangspunkt der Suche nach einem neuen Stil, welcher der verän­derten Lebensweise und den Bedürfnissen einer neuen Zeit besser entsprach.

Mit der Errichtung von Gebäuden aus Eisen, Glas und Beton deutete sich bereits eine konse­quente Reduzierung der Architektur auf ihre funktio­nalen Komponenten an.

Neue Bauformen

Tagblatt Turm, 1924-1928. Architekt: Ernst Otto Oßwald

Stuttgart: Tagblatt Turm, 1924–1928. Architekt: Ernst Otto Oßwald. Foto: Daniela Christmann

Der Anstoss für das inner­städ­tische Hochhaus als radikal neue Bauform kam nach dem großen Brand von 1871 vor allem aus Chicago.

Europäische Architekten setzten sich in der Folge mit dem neuen Bautyp auseinander.

Aus England dagegen kam der lebens­re­for­me­rische Ansatz von William Morris, der Handwerk und künst­le­ri­sches Wirken als Grundlage eines erfüllten Lebens betrachtete.

Die Jugendstilarchitektur, die Reformarchitektur sowie die Gartenstadtbewegung - ausgehend von Hermann Muthesius - zogen daraus wesent­liche Impulse.

Jugendstil

Maison Saint-Cyr, 1901-1903. Architekt: Gustave Strauven

Maison Saint-Cyr, 1901–1903. Architekt: Gustave Strauven. Foto: Daniela Christmann

Der Jugendstil verstand sich bereits in der Zeit seiner Entstehung als Architektur der Moderne in Abgrenzung zum damals vorherr­schenden Historismus.

Der Versuch Kunst und Alltag in Einklang zu bringen sowie sein umfas­sender Reformwille unter­scheiden den Jugendstil von einer rein äusser­lichen Erneuerung der Architektur.

Mit seinen unter­schied­lichen Ausprägungen reicht der Jugendstil von einer floralen Variante, welche die bewegte Linie in Stein, Metall und Holz übertrug und die ihren Schwerpunkt zwischen 1898 und 1904 in Deutschland, Frankreich und Belgien hatte, über den Modernismo in Katalonien hin zur Architektur der Wiener Moderne.

In der Theorie erscheint der Jugendstil als Versuch, die Kunst in das gesamt­ge­sell­schaft­liche Leben einzu­be­ziehen, in der Praxis nahm er jedoch bald vowiegend bürger­liche Züge an.

Die Bauaufgaben der beständig wachsenden Großstädte ließen den Jugendstil zur gängigen Fassadenkunst werden, an der sich der Gestaltungswille der Architekten und Kunsthandwerker verwirk­lichen konnte.

Reformarchitektur

Anatomische Anstalt der Ludwig-Maximilians-Universität, 1905-1907. Architekt: Max Littmann

München: Anatomische Anstalt der Ludwig-Maximilians-Universität, 1905–1907. Architekt: Max Littmann. Foto: Daniela Christmann

Der Aufbruch der Baukunst um 1900 war verbunden mit einer allge­meinen Reformbewegung, an der Architekten, Künstler, Intellektuelle, akade­mische Zirkel sowie Universitäten und Gewerbeschulen beteiligt waren.

Der kultu­relle Bezugsrahmen in der Gesellschaft schien abhanden gekommen sein und es galt in der Architektur einen neuen Baustil ins Leben zu rufen, der den zeitge­nös­si­schen Forderungen nach Identität und einheit­licher Stilbildung entsprach.

Obwohl viele Gestaltungsprinzipien der Klassischen Moderne hier bereits vorweg­ge­nommen werden, sind diese meist aufgrund des Rückgriffs auf histo­rische Formen im Entwurf der Gebäude nicht unmit­telbar erkennbar.

Ein einheit­licher Stil lässt sich in der Reformarchitektur nicht nachweisen. Stattdessen sind die Gebäude Zeugnisse des indivi­du­ellen und persön­lichen Gestaltungswillen des jewei­ligen Architekten.

Im Experimentierfeld zwischen techni­schem Fortschritt und Rückgriff auf das histo­rische Vorbild entstanden Bauwerke unter­schied­lichster Ausprägung und Konzeption.

Häufig war die Reformarchitektur, die eine enge Beziehung zwischen Landschaft und Haus anstrebte, mit sozial­re­for­me­ri­schen Bestrebungen verbunden.

Genossenschaften, Fabriken, Bau- und Sparvereine errich­teten weitläufige Wohnanlagen, die den Kriterien der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Angemessenheit entsprachen.

Gartenstadt

Die Prinzipien der Gartenstadtbewegung fanden Anwendung und entwi­ckelten sich stetig weiter. Fassadendekor verschwand. Zweckmäßigkeit ohne falsches Pathos, Einfachheit und Angemessenheit der Mittel bildeten die Eckpfeiler dieser Bewegung.

In München ist in diesem Zusammenhang die Borstei, in Dresden die Gartenstadt Hellerau, in Essen die Siedlung Margarethenhöhe zu nennen.

Nach dem Ersten Weltkrieg griffen Stadtplaner und Architekten die Ideen der Reformarchitektur im Zuge der steigenden Wohnungsnot wieder auf und entwi­ckelten sie in der Formensprache der zwanziger Jahre weiter.

Stadtplanung und Siedlungsbau

Stockwerksiedlung, 1927-1930. Architekten: Carl Jaeger, Hanna Löv u.a

München: Stockwerksiedlung, 1927–1930. Architekten: Carl Jaeger, Hanna Löv u.a Foto: Daniela Christmann

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen erfor­derten ein Umdenken in der Stadtplanung und Architektur.

Die ökono­mi­schen Beschränkungen im Wohnungsbau und der Wechsel des Bauträgers vom privaten Bauherrn zur gemein­nüt­zigen Baugesellschaft oder Kommune machten sich auch in der Architektursprache bemerkbar.

Siedlungsbau

Große Siedlungen mussten in kürzester Zeit errichtet werden, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken.

Lange Zeilenbauten und große Wohnhöfe ersetzten die Mietshäuser der Vorkriegszeit.

Die dekorative Fassade als Gestaltungsmittel wurde abgelöst durch eine einheit­liche, meist schlichte Außengestaltung der Gebäude, die oftmals ganze Stadtviertel prägte.

Der künst­le­rische Ausdruck beschränkte sich auf einzelne Details, auf Brunnenanlagen und Skulpturen in den Höfen, auf Eingangsbereiche, Treppengeländer, Haustüren und Türgriffe, Gitter und Wassersammler, auf die Farbigkeit der Fassaden und deren rhyth­mische Gliederung durch Fenster- und Türöffnungen.

Expressionismus

Einsteinturm, 1919-1924. Architekt: Erich Mendelsohn

Potsdam: Einsteinturm, 1919–1924. Architekt: Erich Mendelsohn. Foto: Daniela Christmann

Unterschiedliche Baustile folgten in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts rasch aufein­ander, verzahnten sich, beein­flussten sich gegen­seitig und blieben je nach Region und Gegebenheit länger oder kürzer aktuell.

Der Expressionismus überstand den Ersten Weltkrieg. Vor dem Krieg existierte er vor allem in den Visionen der Gläsernen Kette, in den Entwürfen und Skizzen von Bruno Taut, Wenzel Hablik und Hans Poelzig.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Visionen gebaute Wirklichkeit: Es entstanden das Chilehaus in Hamburg, die Kirchenbauten von Dominikus Böhm, Ernst und Günther Paul sowie Hans Voigt, das Grassimuseum in Leipzig ebenso wie eine ganze Reihe von Gewerbebauten und Wohnsiedlungen.

Seit dem Jugendstil wurde dem Ornament keine derartige Bedeutung zugemessen. Eine Tendenz zum Gesamtkunstwerk ist kennzei­chend für die Architektur des Expressionismus.

Backstein und Beton

Backstein und teilweise Beton waren beliebte Baumaterialien. Im Gegensatz zur Neuen Sachlichkeit oder dem Neuen Bauen ist die expres­sio­nis­tische Architektur geprägt von einer­seits runden und geschwun­genen, anderer­seits gezackten, fast schon bizarr wirkenden Formen, die in ihrem Höhendrang bewusst Assoziationen an die Gotik wecken sollten.

Das Bauhaus, vor allem in seiner Weimarer Phase, nahm viele Elemente des Expressionismus in sich auf: Der Pragmatismus, die ausdrucks­starke Vereinfachung sowie das Gefühl ethischer Verpflichtung gegenüber dem Menschen waren Grundzüge, die mit dem metho­di­schen Programm der Schule übereinstimmten.

In den Niederlanden prägte der Expressionismus der Amsterdamer Schule die Architektur bis weit in die zwanziger Jahre.

Art déco

Villa Empain, 1930-1935. Architekt: Michel Polak

Brüssel: Villa Empain, 1930–1935. Architekt: Michel Polak. Foto: Daniela Christmann

Der Art déco entwi­ckelte sich in kurzer Zeit von einer franzö­si­schen zu einer inter­na­tio­nalen Modeerscheinung in Design, Innenausstattung und Architektur.

Der Name ist abgeleitet von der Pariser Ausstellung Exposition inter­na­tionale des arts décoratifs et indus­triels modernes im Jahr 1925.

Einflüsse von Kubismus, Futurismus und Expressionismus aufgreifend, ist er in der deutschen Architektur gekenn­zeichnet durch ornamentale Komplexität, spitze Winkel und figür­liche Dekoration, insgesamt durch variierte, aber meist geome­trisch ausge­führte Elemente.

In der Hochhausarchitektur der USA entwi­ckelte sich der Art déco mit Polychromie und Ornamentik weiter und erreichte einen neuen Höhepunkt.

Für das Kunstgewerbe in Deutschland war die Gewerbeschau in München 1922 wegweisend. Verantwortlich für die künst­le­rische Ausgestaltung war Richard Riemerschmid, die Planung durchaus verbunden mit einem geschmacks­bil­denden Anspruch lag beim Deutschen Werkbund.

Gerade in der Architektur in Deutschland ist Art Déco – in den Zwanzigern gerne als expres­sio­nis­ti­sches Rokoko bezeichnet – nicht immer klar vom Expressionismus zu unterscheiden.

Hier zeigt sich wieder, dass in jener Zeit kein allge­mein­gül­tiges ästhe­ti­sches Leitbild existierte.

Da, wo Art Déco strenger und die Neue Sachlichkeit aufwen­diger sein durfte, wo der dekorative Stil expressiv und der Expressionismus sachlicher wurde, stoßen die Stilbegriffe an Grenzen.

Bauhaus und Neues Bauen

Bauhausgebäude, 1925-1926. Architekt: Walter Gropius

Dessau: Bauhausgebäude, 1925–1926. Architekt: Walter Gropius. Foto: Daniela Christmann

Walter Gropius begründete 1911 mit dem Bau der Fagus-Werke in Alfeld das archi­tek­to­nische Programm der Neuen Sachlichkeit, die später als Klassische Moderne oder seit der Ausstellung von Henry-Russell Hitchcock und Phillip Johnson im Jahr 1932 im Museum of Modern Art New York als Internationaler Stil bezeichnet wurde.

Das Abstraktionsstreben der Moderne führte in letzter Konsequenz zur Reduktion auf den geome­tri­schen Körper.

Das Ornament wurde zunehmend überflüssig, der Baukörper reduzierte sich auf seine funktionale Gestalt. Industriell gefer­tigte Bauteile wurden zur Norm.

Großflächiges Glas, das flache Dach, weiße Wände mit wenigen farblichen Details, die Architektur nach dem Vorbild eines Ozeandampfers oder einer Maschine, lange Fensterbänder im Kontrast zu weißen Putzflächen kennzeich­neten diese neue Art zu bauen.

Scharf geschnittene Öffnungen, großzügige Verglasungen sowie ratio­na­li­sierte Grundrisse in fließende Raumkontinuen aufgelöst waren weitere Merkmale.

Neues Bauen

Mit dem sogenannten Neuen Bauen erwei­terten sich auch die Möglichkeiten der Realisierung, neben neuen Wohnmodellen wurden Dächer, Fenster, Türen, Möbel, Beschläge und Küchen für die indus­trielle Fertigung entwickelt.

Das Neue Bauen mag als Synonym der Moderne gelten, war aber bei weitem nicht so verbreitet, wie es bedingt vor allem durch die Aufmerksamkeit in der Literatur und den Medien seit den Nachkriegsjahren den Anschein erweckte.

Die Lösung der Wohnungsfrage als eine der wichtigsten Ursachen der sozialen Not gehörte zu den drängendsten Problemen, die es nach 1918 in der Weimarer Republik zu bewäl­tigen galt. 

Erst ab 1924 konso­li­dierte sich die wirtschaft­liche Situation in Deutschland und es begann ein für Europa einzig­ar­tiges Siedlungsbauprogramm, in dessen Rahmen bis zur Weltwirtschaftskrise 1930 zehntau­sende Wohnungen vor allem in Berlin und Frankfurt am Main, aber auch in kleineren Städten errichtet werden konnten.

Hauszinssteuer

1924 war vom Staat die Hauszinssteuer einge­führt worden. Diese wurde von Hausbesitzern erhoben, die vor 1921 gebaut hatten, da deren Eigentum in der Inflation nicht entwertet, sondern entschuldet worden war. 

Nur ein Teil dieser beträcht­lichen Steuereinkünfte, die vor allem die öffent­lichen Haushalte entlasten sollten, kam dem Wohnungsbau zugute. Trotzdem entwi­ckelte sich die Hauszinssteuer und die damit verbun­denen Hauszinssteuer-Hypotheken zum entschei­denden Motor der sich in den folgenden Jahren entwi­ckelnden kommu­nalen Wohnungsbautätigkeit.

Mehrfamilienhaus, Dammerstock Siedlung Karlsruhe, 1929, Architekt: Walter Gropius

Karlsruhe: Mehrfamilienhaus, Dammerstock Siedlung, 1929, Architekt: Walter Gropius. Foto: Daniela Christmann

Zwischenkriegsjahre

Der größte Teil der Architektur in Deutschland seit den Zwischenkriegsjahren folgte einem hybriden Formwillen, der lokale Bautraditionen berück­sich­tigte und dabei die Vorgaben der Moderne nicht aus den Augen verlor.

Zahlreiche qualitätsvolle Bauten und Siedlungen entstanden, bei denen im Vorfeld Wettbewerbe ausge­schrieben wurden, in deren Verlauf genau überlegt und schriftlich dargelegt wurde, welche Bauform der Moderne in einer bestimmten städte­bau­lichen Situation und einem regio­nalen Umfeld angebracht erschien.

Die Neubauten lösten häufig ein erheb­liches zeitge­nös­si­sches Echo innerhalb der Bevölkerung und bei der Presse aus.

Hochhausdebatten wurden geführt, das Für und Wider leiden­schaftlich diskutiert.

Fast jeder Neubau erhielt in der Bevölkerung einen Spitznamen, ein Kennzeichen für die starke Identifikation mit dem Bauwerk im öffent­lichen Raum. 

Moderne und Nationalsozialismus

Mit der Machtergreifung Adolf Hitlers und der Diktatur des Nationalsozialismus vollzog sich ein radikaler Richtungswechsel.

Die Architekten der zwanziger Jahre wollten oft zunächst nicht wahrhaben, dass sich die Voraussetzungen für das Bauen derart rasch verändert hatten.

In den ersten Jahren gab es gerade im kultu­rellen Bereich noch gewisse Freiräume, aber die Hoffnungen vieler Künstler und Architekten auf eine Anerkennung der Moderne als sogenannte deutsche oder nordische Errungenschaft war illusionär.

Die Moderne - ob in der Architektur oder in anderen Bereichen - wurde nur mehr dort einge­setzt, wo sie dem Regime nützte, namentlich im Industrie- und Rüstungsbau, der Rationalisierung oder Propaganda.

Die Vertreter des Bauhauses wurden entlassen und erhielten in der Folge keine öffent­lichen Aufträge mehr.

Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe konnten 1934 noch Abteilungen der Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit gestalten.

Ludwig Mies van der Rohe erhielt 1935 sogar noch den Auftrag zur Planung des deutschen Pavillons auf der Weltausstellung in Brüssel.

Verfolgung und Exil

Viele bekannte Architekten, Graphiker und Designer der ehema­ligen Weimarer Republik arran­gierten sich mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen System, wobei besonders Industrie- und Ingenieurbauten im Dienst der Aufrüstung und des Krieges eine Domäne der Moderne blieben.

Die indivi­du­ellen Schicksale der Architekten und Künstler reichen während der Jahre der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Diktatur von Mittätertum und Mitläufertum über Anpassung und Arrangement, über die Spaltung zwischen öffent­licher und privater Tätigkeit bis hin zum endgül­tigen Exil.

Alle Architekten und Künstler jüdischen Glaubens, nicht konformer politi­scher Haltung oder unerwünschter sexueller Orientierung mussten emigrieren oder wurden verfolgt und ermordet.