Ronchamp: Notre-Dame-du-Haut

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

1953 – 1955

Architekt: Le Corbusier

13, Rue de la Chapelle, Ronchamp, Frankreich

Die Wallfahrtskapelle Notre Dame du Haut von Ronchamp (Unsere Liebe Frau von der Höhe) ist eine der Jungfrau Maria geweihte katholische Wallfahrtskirche in der französischen Gemeinde Ronchamp.

Die Kapelle wurde 1953 bis 1955 nach Plänen des Architekten Le Corbusier errichtet und zählt zu den bekanntesten Kirchenbauten der Moderne. Seit Juli 2016 ist sie UNESCO-Weltkulturerbe

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Grundriss

Grundriss

Standort

Die Gemeinde Ronchamp liegt am Fuß der Vogesen im Osten des Départements Haute-Saône in der Franche-Comté. Das Kirchengebäude Notre Dame du Haut befindet sich auf dem 472 Meter über Meer gelegenen Hügel Bourlémont.

Die Kapelle ist weithin sichtbar und ihr Standort ermöglicht einen weiten Panoramablick auf die umliegende Landschaft.

Vorgeschichte

Nachdem im Zweiten Weltkrieg in Frankreich rund 2.000 sakrale Bauwerke zerstört worden waren, setzten sich namhafte Geistliche wie der Dominikaner Marie-Alain Couturier dafür ein, für den Neuaufbau dieser Gebäude renommierte Künstler und Architekten zu gewinnen.

Die Commission d’Art Sacré von Besançon, der Maurice Jardot, Mitarbeiter des Kunsthändlers Daniel-Henry Kahnweiler, François Mathey, staatlicher Inspektor der Historischen Monumente und der Domherr Lucien Ledeur angehörten, nahm Kontakt zu Le Corbusier auf.

Trotz anfänglicher Bedenken und nur dank der Vermittlung von Marie-Alain Couturier nahm der Architekt den Auftrag an.

Entwurf

Einen ersten Entwurf zeichnete Corbusier nach einem Besuch vor Ort im Juni 1950. Ein erstes Modell lieferte er im Dezember 1951.

Corbusiers überlieferte Recherchen und Gedanken zum Projekt dokumentieren, dass seine anfängliche Ablehnung in Begeisterung umschlug. Eine besondere Rolle spielte die exponierte Lage der Kirche.

Bauarbeiten

Die Bauarbeiten begannen am 9. September 1953 mit dem Abbruch der Ruine des 1923 bis 1926 errichteten und im im Krieg zerstörten, neugotischen Vorgängerbaus. Man begann mit dem Bau des Pilgerhauses und des Hauses des Kaplans.

Die Arbeitsbedingungen waren schwierig: Es gab keine befahrbare Straße, keinen Wasseranschluß, so daß Regenwasser gesammelt werden mußte, und die Stromversorgung erfolgte mitttels einem Generator.

Der Beton wurde vor Ort gemischt und mit Eimern transportiert. Das Baumaterial war einfach und kostengünstig: Abbruchmaterial der alten Kapelle, Zement und Stahl.

Bauleiter war André Maisonnier, ein junger Architekt aus dem Büro von Le Corbusier.

Dachmuschel

Der schwierigste Teil der Bauarbeiten war die Dachmuschel aus Stahlbeton. Die Schalung wurde von 600 Holzsprießen gestützt.

Das Gewölbe oberhalb des Chors ist eine hohle Schale, gestützt von fünfzehn Säulen aus Stahlbeton, die im Mauerwerk integriert sind.

Als die Bauarbeiten fast abgeschlossen waren, entwarf Maisonnier das Becken, das vor der Westseite das Regenwasser aus dem Wasserspeier aufnimmt.

Nach fünf Jahren Planung und zweijähriger Bauzeit wurde die Kapelle am 25. Juni 1955 ihrer Bestimmung übergeben.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Dach

Das Dach besteht zwei Betonschalen und ist einer Krebsschale nachempfunden. Es kragt teilweise über die Außenwand hinaus und bietet dem Außenaltar, der Sängerempore und Kanzel Wetterschutz.

Im Inneren hat das Dach die Form eines lockeren, leicht durchhängenden Tuches.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Das Dach liegt weder auf der Süd- noch auf der Ostwand auf, sondern ruht auf 16 Zentimeter dicken Stahlbetonpfeilern, die in die Mauern eingelassen sind.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Konstruktion

Da die Wände keine tragende Funktion haben, konnte der Architekt sie nach Belieben formen.

Sie sind nicht aus Stahlbeton, sondern wurden aus den Steinen der ehemaligen Kapelle, die 1944 abgerissen wurde, gemauert, mit einen Spritzputz versehen und weiß gekalkt.

Nur die Südwand ist trotz ihrer massiven Erscheinung nicht gemauert. Sie besteht aus einem Stahlbeton-Skelett, das innen und außen mit einer dünnen Schale aus Spritzbeton verkleidet wurde.

Den oberen Abschluß der Kapelle bildet eine Stahlbetonschale, die mit einer Schattenfuge vom Mauerwerk abgesetzt wurde.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Sakristei und Freiluftaltar

In der Nische zwischen den beiden Kapellentürmen befindet sich der sogenannte Werktagseingang. Die Sakristei ist über eine außen angebrachte kleine Freitreppe zu erreichen.

Auf der konkaven Ostwand befindet sich ein Freiluftaltar mit einem Chorraum, einer Sängerempore und einer Kanzel. Ein schlichter Betontisch dient als Altar.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Zwischen dem Freiluftaltar und der Südseite bildet die Mauerwand einen spitzen Winkel, an dem sich das muschelförmige Dach bis auf etwa neun Meter erhebt.

Die Südseite wird von rechteckigen Fenstern in unterschiedlicher Größe durchbrochen, die schachtartig in die Mauer eingelassen sind.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Links des Hauptportals erhebt sich der etwa 27 Meter hohe, zur Südseite abgerundete Hauptturm. Das durch die obere Öffnung einfallende Licht wird innen an der weißen konkaven Wandfläche des Turmes reflektiert und fällt über den Altarbereich der Kapelle ein.

Viele Erinnerungen an Corbusiers Reisen flossen in den Entwurf der Kapelle ein. Mit dem südlichen Turm, den er «puits de lumière» (Lichtbrunnen) nannte, bezog er sich auf die Hadriansvilla aus dem 2. Jahrhundert.

Erinnerungen an eine Moschee in Algerien flossen in die Gestaltung der Südwand mit ihren tiefen Fensterlaibungen, die das Licht filtern, ein.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Das wichtigste Vorbild war für Le Corbusier jedoch das Parthenon in Athen, das er 1911 besucht hatte.

Auf der Westseite befindet sich an der Dachkante ein schlichter, den Nüstern eines Pferdes nachgebildeter Wasserspeier.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Innenraum

Der nach Osten ausgerichtete Altar steht auf einem niedrigen Podest.

Der Tabernakel des Hauptaltars ist ein auf drei Füßen stehender Würfel mit farbigen Emailmotiven auf weißem Grund.

Das Kreuz ist 2,16 Meter hoch und 1,75 breit und wurde von Corbusier mit Hilfe des Modulors berechnet.

Die Bankreihen sind parallel zur Fensterfront angeordnet, der Fußboden im Kirchenraum ist nicht ebenerdig, sondern abfallend. Kreuz, Bänke und Beichtstühle sind aus brasilianischem Iroko-Holz. Sie wurden von dem bretonischen Schreiner Joseph Savina gefertigt, der auch Skulpturen nach Entwürfen von Le Corbusier hergestellt hat.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Zwei Nebenkapellen auf der Nordseite werden durch Sonnenfallen belichtet.

Die Kanzel an der Wand ist ein Betonkubus und hat ein ebenfalls aus Beton gefertigtes Lesepult.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Im hinteren Teil der Kirche befinden sich Beichtstühle, die teilweise in die Westwand eingelassen sind. Die Einlassung ist an der Außenwand durch eine Wölbung in der Nähe der Brunnenskulptur sichtbar.

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Notre-Dame-du-Haut, 1953-1955. Architekt: Le Corbusier. Foto: Daniela Christmann

Erweiterungsbauten

Wegen der ständig steigenden Zahl der Besucher plante die Eigentümerin des Bauwerks, die Association Œuvre Notre Dame du Haut, die Planung von Erweiterungsbauten und entschied sich, den Architekten Renzo Piano mit der Aufgabe zu betrauen.

Pianos Entwurf für ein Besucherzentrum und ein Klarissenkloster stieß bei der Fondation Le Corbusier auf Kritik, weil die geplanten Bauwerke zu nahe an der Kirche gebaut werden würden.

Das französische Kulturministerium entschied Anfang 2009 die Erweiterungsbauten nach Plänen von Renzo Piano zu bauen.

Realisiert wurden ein Empfangsgebäude für die jährlich ca. 80.000 Besucher und ein Kloster mit zwölf Zellen, in dem sieben Ordensschwestern leben sollten.

Im September 2011 fand die Eröffnung der Gebäude statt, die so in den Hügel eingegraben sind, dass man sie von der Kirche aus nicht sieht.

Rezeption

Die katholische Wallfahrtskapelle ist seit ihrer Einweihung 1955 ein Anziehungspunkt für Pilger und Touristen und verzeichnet jährlich rund 80.000 Besucher.

Der Kirchenbau erregte bereits zur Entstehungszeit grosses Aufsehen. Nach der Fertigstellung des Bauwerks reagierten sowohl Kritiker wie auch Weggefährten Corbusiers gleichermaßen irritiert und konstatierten, er habe mit der plastisch-organischen Formgebung seine Prinzipien verraten.

Die Kapelle von Ronchamp ist Le Corbusiers erster und neben dem Kloster Sainte-Marie de la Tourette einziger von ihm selbst realisierter Sakralbau.

Welterbestätte

Im Januar 2008 ließ Frankreich vierzehn Gebäude und Anlagen von Le Corbusier in die Tentativliste der UNESCO eintragen, darunter auch die Kapelle. Dies war die Voraussetzung dafür, zu einem späteren Zeitpunkt die Anerkennung als Welterbestätte zu beantragen.

Unter Federführung Frankreichs und unter Beteiligung der Fondation Le Corbusier wurden diese vierzehn und weitere Bauten Le Corbusiers aus sechs weiteren Ländern als „Das urbanistische und architektonische Werk von Le Corbusier“ für die Aufnahme als Weltkulturerbe nominiert.

Am 17. Juli 2016 wurde Notre-Dame-du-Haut schließlich gemeinsam mit 16 anderen Gebäuden Le Corbusier’s in die Liste der Welterbestätten aufgenommen.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert