1911 – 1914
Architekt: Martin Elsaesser
Dorotheenstraße 4, Stuttgart
Am 31. Januar 1914 wurde die Markthalle Stuttgart nach Plänen des Architekten Martin Elsaesser auf der Fläche der zwischen 1911 und 1912 abgebrochenen Blumen- und Gemüsehalle sowie des Alten Marstalls eröffnet.
Wettbewerb
1910 wurde in der Zeitschrift Zentralblatt der Bauverwaltung das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs um den Bau einer neuen Markthalle in Stuttgart veröffentlicht.
An dem Wettbewerb hatte sich 77 Architekten aus Stuttgart beteiligt. Den ersten Platz erhielt Martin Elsaesser, wofür ihm der Bauauftrag und ein Preisgeld von 5000 Mark zuerkannt wurde.
Weil das innerstädtische Grundstück für eine reine Marktnutzung zu wertvoll war, forderte die Stadt die zusätzliche Errichtung eines Verwaltungstrakts für das Städtische Hochbauamt sowie die Baupolizei.
Diesen platzierte Elsaesser als L-förmigen, viergeschossigen Baukörper mit der langen Seite an der Dorotheenstraße und der kurzen entlang der Münzstraße.
Markthalle
Die Markthalle wurde in den Jahren 1911 bis 1914 unter der Leitung von Elsaesser auf einem Platz errichtet, auf dem sich seit 1864 eine Verkaufshalle für Gemüse befand.
Elsässer passte den Bau in die zu dieser Zeit noch intakte Stuttgarter Altstadt ein und gestaltete die Fassaden und Details im Reformstil mit Jugendstilelementen.
Achteckige Erker in den Obergeschossen leiten zu den angrenzenden Fassaden über, durchlaufende Gesimse sowie eine auskragende Dachkante betonen die Horizontalität des rotgefassten Putzbaus und stellen den Übergang zur angrenzenden Nachbarbebauung her.
Im inneren Winkel des L-förmigen Gebäudes, das komplett in Eisenbeton errichtet wurde, umschließt der Verwaltungstrakt einen Hallenraum für die Marktstände.
Vom rückwärtigen Dorotheenplatz kaum wahrnehmbar erheben sich seine Umfassungswände hinter einem zweigeschossigen Vorbau mit einem eingeschobenen Mezzaningeschoss.
Die Fassaden schmücken Fresken von Franz Heinrich Gref und Gustav Nida-Rümelin sowie Plastiken von Josef Zeitler und Jakob Brüllmann.
Innenraum
Im Innern zeigt sich eine funktionalistische Stahlbetonkonstruktion. Segmentbogige Träger überspannen die 60 Meter lange und 25 Meter breite Halle, die von einem Glasdach belichtet ist.
Dachkonstruktion
Die innovative Dachkonstruktion des Hallenraums aus Eisenbeton gibt die Modernität von Bauwerk und Bauaufgabe zu erkennen.
Elf Zweigelenkträger aus Eisenbeton überspannen den 25 Meter tiefen Hallenraum.
Die von der Baufirma Wayss & Freytag entwickelten dreiteiligen Träger bestehen aus einem oberen Dreiecksbinder, auf dem das verglaste Satteldach aufsitzt, einem mittleren Bogenbinder, der als Auflager für die den Hallenraum abschließenden Glasebene dient, sowie daran gekoppelte und im Hallenraum sichtbare untere Zugbänder, flankiert von Fensterbändern entlang der 60 Meter langen Hallenlängsseiten, die die Belichtung und Belüftung der Halle gewährleisten.
Zwei dreigeschossige, im Erdgeschoss durch Arkaden abgetrennte Seitenbauten flankieren die Halle.
Verkaufsstände
Die Verkaufsfläche nahm die gesamte Grundfläche des Eingangsgeschosses ein, wobei die Waren getrennt voneinander angeboten wurden.
Dem Obst- und Gemüsemarkt waren Stände mit festem Holzmobiliar im Hallenraum zugeordnet. Fisch und Fleisch wurden an den Außenwänden angeboten.
Elsaesser passte die Neigung der Eingangsebene an das natürliche Gefälle zwischen Dorotheenstraße und Dorotheenplatz an, um die Reinigung und die Belieferung zu erleichtern.
In den Asphaltbelag wurden Straßenbahnschienen eingelegt, um mit Waren beladene Loren an der Dorotheenstraße in die Halle hinein- und zum Dorotheenplatz wieder hinausschieben zu können.
Erst 1916 bewilligte der Gemeinderat den Anschluss an das städtische Straßenbahnnetz, um während der Nahrungsmittelnot im Ersten Weltkrieg die Versorgung der Bevölkerung mit Kartoffeln aufrechterhalten zu können.
Brunnen
Eine Abteilung für Blumen und Samen fand sich im eingeschossigen Bereich hinter dem Treppenaufgang zum Galeriegeschoss.
Abgetrennt war dieser Bereich durch den im Jahr 1916 eingebauten Ceresbrunnen von Ulfert Janssen, der aus grünblauer Majolika gearbeitet ist.
Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Majolika-Brunnen wurde 2007 bis 2009 als Replik neu errichtet.
Wiederaufbau und Sanierung
Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Markthalle wieder aufgebaut und 1953 wiedereröffnet.
1971 sollte die Markthalle abgerissen werden. Eine Opposition aus Standbesitzern, Bürgern, Presse und Denkmalamt stellte sich dem entgegen.
Am Ende beschloß der Gemeinderat den Erhalt der Markthalle.
Seit 1972 steht die Halle unter Denkmalschutz.
1993 zerstörte ein Brand den Innenraum, so dass eine umfassende Renovierung notwendig wurde.
2014 wurden die verblassten Fresken der Künstler Franz Heinrich Gref und Gustav Nida-Rümelin an der Hauptfassade der Markthalle fachgerecht restauriert.