1925 – 1926
Architekten: Walter Gropius, Ernst Neufert, Carl Fieger
Ebertallee 69-71, Dessau
Das Meisterhaus Klee wurde 1925 bis 1926 nach Plänen der Architekten Walter Gropius, Ernst Neufert und Carl Fieger errichtet.
Dessau
Seit das Staatliche Bauhaus im März 1925 aufgrund drastischer Mittelkürzungen und der Kündigung von Vertragsvereinbarungen seitens des seit 1924 rechtskonservativ dominierten Thüringer Landtags in der Stadt Weimar keine Perspektiven mehr sah, war es seit Anfang des Jahres 1925 auf der Suche nach einem neuen Standort.
Fritz Hesse, der liberale Oberbürgermeister der Stadt Dessau, sicherte Gropius den Bau eines neuen Schulgebäudes sowie neuer Wohnhäuser für die Meister des Bauhauses zu und setzte dieses Bauprogramm zusammen mit der SPD im Stadtrat durch.
Hier bot sich Gropius und der Bauhausschule die einmalige Gelegenheit, die Zusammenarbeit zwischen den Bauhauswerkstätten und dem Baubüro Gropius im Rahmen eines realen Auftrags zu demonstrieren.
Konstruktion
Als Bauplatz für die sogenannten Meisterhäuser wählte man ein städtisches Gelände an der Burgkühnauer Allee, heute Ebertallee, das sich in fußläufiger Entfernung des Bauhaus Schulgebäudes befand.
Dort sollten in den Jahren 1925 bis 1926 nach Plänen von Walter Gropius und im Auftrag der Stadt Dessau drei Doppelhäuser für die Meister des Bauhauses und ein Einzelgebäude als Direktorenhaus auf einem flachen, mit Kiefern bestandenen Gelände errichtet werden.
Bei der Planung und Realisierung hatte Gropius weitgehende Gestaltungsfreiheit. Da die Bauabteilung des Bauhauses erst 1927 eingerichtet wurde, übernahm das private Baubüro von Walter Gropius unter maßgeblicher Mitarbeit von Ernst Neufert und Carl Fieger die Entwürfe für die Gebäude.
Die Bauleitung übernahm bei Baubeginn im Spätsommer 1925 der erst 21-jährige Hans Volger zusammen mit Heinz Nösselt.
Materialien
Der Rohbau der Häuser wurde auf gestampften Betonfundamenten mit sogenannten Jurkosteinen aus Schlacke, Sand und Zement errichtet.
Wie bereits im Haus am Horn und der Villa Auerbach bestand der Wandaufbau der Außenmauern, die Geschosdecken und das Kellergeschoß aus Jurkosteinen: großformatigen Einheitsplatten aus Schlackenbeton, Schwemm- oder Bimsteinen, die mit Zement gemischt waren.
Diese plattenförmigen Schlackenbetonsteine wurden zu einem Hohlmauerwerk mit Längskanälen zusammengesetzt. Der zwischen den Platten liegendem Luftraum erhöhte ihre Dämmkraft.
Armierte Betonstürze und Stahlsteindecken ermöglichten die großformatigen Fenster und die weit auskragenden, eckumgreifenden Balkone.
Die Flachdächer wurden mit Torfoleumdämmungen und Asphaltplatten gedeckt. Die Böden im Haus waren mit Triolin belegt.
Im November 1925 konnte das Richtfest gefeiert werden, im Juli 1926 waren die Häuser bezugsfertig.
Bewohner
Im Sommer 1926 bezogen Walter Gropius, László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee ihre Häuser zur Miete.
Die Häuser gehörten der Stadt Dessau, die eine Miete von 2.500 Mark jährlich für das Direktorenhaus und 1.500 Mark jährlich für eine Wohnung im Doppelhaus verlangte.
Im Gegensatz zum Direktorenhaus, das mit Dienstbotenzimmer und Gästetrakt für repräsentative Zwecke angelegt wurde, waren die Meisterhäuser mit Wohn- und Atelierbereich als Künstlerhäuser konzipiert.
Das ehemalige Meisterhaus Nr. 6 in der Ebertallee 69-71 ist Teil des Doppelhauses Kandinsky/Klee und wurde von Paul Klee, seiner Frau Lily und Sohn Felix bis zu deren Umzug im Jahr 1931 nach Düsseldorf bewohnt.
Wassily Kandinsky und Paul Klee kannten sich bereits aus ihrer gemeinsamen Studienzeit bei Franz von Stuck in München und waren eng miteinander befreundet.
Gropius wollte das Gebäudeensemble der Meisterhäuser nach dem Baukastenprinzip mit industriell vorgefertigten Teilen errichten. Aufgrund der technischen Möglichkeiten ließ sich dieser Plan jedoch nur teilweise umsetzen.
Innere der Häuser
Die ineinander verschachtelten Häuser bestehen aus unterschiedlich hohen kubischen Baukörpern, die nach Norden zur Straße hin durch die großzügige Verglasung der Atelierfenster geprägt sind. Die Treppenhäuser erhalten an den Stirnwänden Licht durch vertikale Fensterbänder.
Alle Häuser sind weiß verputzt und verfügen über Terrassen und Balkone. Farbige Akzente setzen die Laibungen der Fenster, die Unterseiten der Balkone und die Fallrohre.
Paul und Lily Klee brachten beim Einzug in das Haus ihr eigenes Mobiliar mit. Ansonsten war das Haus bereits mit Einbauschränken und modernen Hausgeräten ausgestattet.
Bei der Farbgestaltung der Innenräume entwickelte Paul Klee ein eigenes Konzept, das im engen Zusammenhang mit seinem malerischem Werk stand.
In den folgenden Jahren kam es zu regelmäßigen Mieterwechseln, da Meister, die das Bauhaus verließen, ihre Wohnung an sogenannte Jungmeister übergaben.
1927 übernahm Hinnerk Scheper die Wohnung von Georg Muche. 1928 folgte Josef Albers auf László Moholy-Nagy, 1929 Alfred Arndt auf Oskar Schlemmer.
Das Direktorenhaus wurde 1928 von Hannes Meyer, dem Nachfolger von Walter Gropius bezogen, 1930 zog Mies van der Rohe ein, der die ersten Umbauten vornehmen ließ.
Nach 1932
Nach der Schließung des Bauhauses auf Betreiben der NSDAP Dessau im Jahr 1932 zogen Wassily Kandinsky und Paul Klee aus.
Ebenso wie das Schulgebäude des Bauhauses zählten die Meisterhäuser in den folgenden Jahren zum diffamierten modernen Erbe, das die Stadt gerne loswerden wollte.
Es erfolgten Umbauten, die das Erscheinungsbild wesentlich veränderten. Die Wohnungen wurden an Beschäftigte der Dessauer Junkers-Werke vermietet.
1939 verkaufte die Stadt die Meisterhäuser schließlich an den Flugzeugmotoren Hersteller Junkers mit der Auflage per Ratsentschließung vom 2. Februar 1939, die Gebäude in Absprache mit dem Stadtbauamt so umzugestalten, daß die „wesensfremde“ Bauart aus dem Stadtbild verschwindet.
Das Direktorenhaus und die benachbarte Doppelhaushälfte Moholy-Nagy wurden 1945 bei einem Luftangriff komplett zerstört.
Nachkriegszeit und Sanierung
Auf die verbliebenen Grundmauern des Direktorenhaus errichtete man Mitte der fünfziger Jahre ein Wohnhaus mit Steildach. Im Meisterhaus Feininger befand sich in den Nachkriegsjahren eine Poliklinik.
Erst Mitte der sechziger Jahre wurde man sich der Bedeutung des architektonischen Erbes bewusst.
Das Schulgebäude des Bauhauses wurde 1976 erstmals gründlich rekonstruiert. Die Meisterhäuser blieben dagegen weitgehend unbeachtet.
Erst Anfang der 1990er-Jahre wurde damit begonnen, die Meisterhäuser sukzessive in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.
Seit 1996 zählt die Siedlung zum UNESCO-Welterbe.
Zwischen 1998 und 2001 erfolgte die Sanierung des Meisterhauses von Georg Muche und Oskar Schlemmer.
Das Meisterhaus Klee ist in den Jahren 2000 und 2018/19 umfassend saniert worden und für die Öffentlichkeit zugänglich.