1903 – 1908
Entwurf: Richard Steiff
Margarethe-Steiff-Platz, Giengen an der Brenz
Die Steiff-Fabrikhallen wurden ab 1903 in mehreren Bauabschnitten von der Margarethe Steiff GmbH in Giengen an der Brenz errichtet.
Vorgeschichte
Bauherrin der Hallen war war die Firmengründerin Margarete Steiff. Sie saß wegen einer Kinderlähmung seit ihrer Kinderheit im Rollstuhl.
1877 eröffnete sie nach dem Besuch einer Nähschule gemeinsam mit ihrer Schwester ein Ladengeschäft. Dort fertigte und verkaufte sie zunächst Nadelkissen, später Spieltiere aus Filz.
1893 wurde die Firma ins Handelsregister eingetragen, ein Katalog erschien und Steiff-Spielwaren wurden auf der Leipziger Messe präsentiert.
Sechs Jahre später wurde an der Südwestecke der Giengener Stadtbefestigung ein Fabrikationsbau mit Laden errichtet, der 1900 durch einen weiteren Bau vergrößert wurde.
Im gleichen Jahr brachten die Neffen Margarete Steiffs durch ihren Eintritt neuen Schwung in das Unternehmen. 1903 wurde der beliebte Teddy-Bär entwickelt, statt Filz verarbeitete man nun einen pelzartigen Mohairplüsch.
Die stetig wachsende Nachfrage erforderte größere, produktionsgerechte und helle Gebäude.
Ostbau
Der ursprünglich inmitten von Obstbaumwiesen 1903 erstellte sogenannte Ostbau gilt als Pionierbau der gesamten Fabrikanlage.
Im Volksmund war die Halle als Jungfrauenaquarium bekannt, da hier vorwiegend unverheiratete Näherinnen beschäftigt waren.
Konstruktion
Das Fassadensystem des Steiff-Fabrikgebäudes ist die wohl früheste Version einer Vorhangfassade im Fabrikbau in Deutschland.
Die Glashaut des Gebäudes ist vom Sockel bis zum Gesims durchgehend ausgebildet, dem Tragesystem vorgehängt und um die Ecken geführt.
Damit Margarete Steiff die Produktion im oberen Stockwerk erreichen konnte, verfügte die Halle über eine außenliegende Rampe, um mit einem Rollstuhl hinauffahren zu können.
Der Entwurf wird dem Neffen der Firmengründerin, Richard Steiff, zugeschrieben, der ein Studium an der Kunstgewerbeschule Stuttgart absolviert hatte und während eines längeren England-Aufenthaltes im Jahr 1897 die Konstruktion des Crystal Palace in London studieren konnte.
Bauwerk
Im Februar 1903 wurde der Bauantrag für die gläserne Fabrikhalle von der Eisenwerk München AG beim Stadtbauamt Giengen eingereicht.
Die im Glas-und Eisenbau erfahrene Firma, die unter anderem für die Halle des Passionstheaters Oberammergau und die Glasüberdachungen für das Warenhaus Hermann Tietz verantwortlich zeichnete, hatte ein Angebot für das Gebäude erstellt und den Zuschlag erhalten.
Errichtet wurde schließlich eine Fabrikhalle als dreischiffiger und fünfjochiger Stahlskelettbau über einer 30 x 12 m großen Grundfläche.
Fassade
Die Scheibenwirkung wird durch das als Rahmen ausgebildete Eckständerprofil sowie durch einen zwischen die Fußpunkte eingebrachten, anschließend einbetonierten Fachwerkträger erreicht.
Im Innern wird das Gebäude durch feingliedrige Stützen, bestehend aus u-förmigen Profilen mit Stegverbindungen, unterteilt.
Die gläserne Außenwand ist zweischalig konstruiert, wobei die äußere Verglasung als ununterbrochene Fläche vom Sockel bis zum Dachgesims verläuft.
Die innere Verglasung ist jeweils geschoßhoch ausgebildet.
Konstruktion
Alle Tragelemente, die zwischen den Glasflächen liegen, wie Stützen oder Deckenträger bleiben nach außen ebenso sichtbar wie die Verbindungsteile und Abstandshalter.
Die nichtragende Außenhaut der Steiff-Hallen ist ein frühes Beispiel der Vorhangfassade, die in den zwanziger Jahren zum Aushängeschild moderner Architektur beispielsweise im Faguswerk oder im Bauhausgebäude Dessau wird.
Durch den Erfolg des Teddybärs vervielfachte sich die Produktion in den Jahren 1903 bis 1907.
Im Jahr 1907 produzierte Steiff insgesamt fast zwei Millionen Spielartikel und über 970.000 Teddybären, was den Bau weiterer Fabrikationsgebäude erforderte.
Südbau
Nach dem Vorbild des Ostbaus entstand bereits 1904 der sogenannte Südbau.
Die äußere Gestaltung entsprach dem ersten Gebäude.
Lediglich die Stahlkonstruktion wurde durch eine vor Ort leichter herzustellende, genagelte Holzkonstruktion ersetzt.
1908 wurde ein weiterer Baukörper parallel zum Südbau erstellt.
Eine Verbindung zwischen beiden Bauten erfolgte durch hölzerne, offene Stege. Später wurden diese durch eine Stahlbetonkonstruktion ersetzt.
Denkmalschutz und Sanierung
Die drei in den maßgeblichen Teilen original erhaltenen Glasbauten stehen unter Denkmalschutz.
In den Anfangsjahren bestrich man die Glasflächen der Bauten im Sommer mit Kalkfarben um ein Aufheizen der Innenräume zu verhindern. Im Herbst wusch man die Farbe wieder ab.
1980 eröffnete im Ostbau das erste Steiff-Museum, das 2005 in einen Neubau umzog.
Eine Sanierung der Gebäude des Areals erfolgte 2011. Sieben Jahre später erneuerte man sämtliche Fabrikdächer.
Tolle Dokumentation!