1924 – 1927
Architekt: Alfred Fischer
Ebertstraße 11, Gelsenkirchen
Das Hans-Sachs-Haus wurde 1924 bis 1927 nach Plänen von Alfred Fischer als städtisches Verwaltungs- und Geschäftshaus mit Hotel und Konzertsaal errichtet.
Die technische Ausführung und örtliche Bauleitung erfolgte durch das Hochbauamt der Stadt Gelsenkirchen mit Stadtbaurat Max Arendt und Stadtbaumeister Boeke.
Stilistisch ist das Hans-Sachs-Haus als Bindeglied zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit zu sehen, da es einerseits mit gebranntem Klinker, das charakteristische Material des Backsteinexpressionismus verwendet, andererseits in seiner Formensprache dem Bauhaus und der Stromlinienmoderne nahesteht.
Bereits 1919 bis 1920 hatte Fischer das Volkshaus in Gelsenkirchen-Rotthausen entworfen, das vor allem in der Gestaltung der Details wie der Lampen und des Eingangsportal noch von der Architektur des Expressionismus geprägt ist.
Dagegen ist das 1929 nach Fischers Plänen errichtete Verwaltungsgebäude des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, heute RVR, in Essen eine konsequente Weiterentwicklung des Hans-Sachs-Hauses.
Namensgebung Hans-Sachs-Haus
Im März 1926 schrieb die Stadt einen Wettbewerb aus, um einen geeigneten Namen für das Haus zu finden, der die Doppelfunktion des Gebäudes als Bürogebäude und Kulturstätte beschreiben sollte.
Insgesamt wurden 27 Namen eingereicht, von denen 26 in die engere Wahl kamen. Der Name Hans-Sachs-Haus gewann den ersten Preis.
Carl von Wedelstaedt, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, schrieb dazu in der Festschrift zur Einweihung des Hauses 1927: ‚Hans Sachs ist uns Deutschen Sinnbild für die Verbindung von Werkarbeit, die materielle Werte erzeugt, und der Kunst, der wir ideelle Werte verdanken. Sein Name wurde daher dem Hause gegeben, das eine Arbeitsstätte für Handel, Gewerbe und Verwaltung und mit seinem in ihm enthaltenen Konzertsaale eine Pflegestätte für edle Kunst, namentlich die Musik werden soll.‘
Der Name Hans-Sachs-Haus wurde in Großbuchstaben über dem Haupteingang an der Ebertstraße angebracht. Die Buchstaben des Schriftzuges waren weit auseinander gesetzt und nahmen fast die gesamte Fassadenfront ein.
Mit der Wiederanbringung des Namens über dem Haupteingang am 1. April 1953 war auch der Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges abgeschlossen. Im Gegensatz zum ursprünglichen Schriftzug standen die mit Leuchtstoffröhren beleuchteten Buchstaben nun wesentlich enger beieinander.
Gebäude
Der sechsgeschossige Stahlbetonskelettbau ist im Bereich des Erdgeschosses mit Keramikplatten verkleidet. Die Fenster des ersten bis fünften Obergeschosses sind durch Gesimse zu Bändern zusammengefasst.
An den streng gegliederten Baukörper mit Flachdach schließt sich rückwärtig ein zehngeschossiger Turm an.
Eine Besonderheit sind die mehrfachen Rücksprünge der Längsfassaden, die bei dem über zwei ehemaligen Steinkohlenzechen errichteten Bauwerk die Bewegungsfreiheit der Bauteile untereinander bei zukünftigen Bergsenkungen gewährleisten sollten.
1927 verfügte das Hans-Sachs-Haus über 5.000 Quadratmeter Bürofläche, Läden, ein Hotel mit Konferenzräumen und Gastronomie, eine Stadtbibliothek mit Lesesaal sowie einen Konzertsaal mit 1.500 Sitzplätzen.
Farbleitsystem
Im Hans-Sachs-Haus befand sich das erste bekannte Beispiel für angewandte Signaletik (Farbleitsystem) im öffentlichen Raum.
Der Entwurf stammte von Max Burchartz, Professor für Gebrauchsgrafik an der Folkwangschule in Essen. Die handwerkliche Ausführung erfolgte unter der Leitung des Burchartz-Schülers Anton Stankowski.
Das vom Bauhaus beeinflusste Farbsystem, hier stellvertretend genannt Johannes Itten in der Farblehre und Hinnerk Scheper als Farbgestalter und Wandmaler, führte mit großen Farbflächen in Primärfarben durch das Gebäude.
Nach dem Zweiten Weltkrieg komplett übermalt wurde es in den 1990er Jahren teilweise rekonstruiert. Im Zuge des geplanten Neubaus wurde jedoch auch diese Rekonstruktion zerstört.
Später wurde das gesamte Innere des Gebäudes rückgebaut und durch einen Neubau ersetzt. Dieser erhielt wiederum ein Farbleitsystem, das sich am Original aus den 1920er Jahren orientierte.
Kriegsschäden und Wiederaufbau
In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs suchten viele Menschen Zuflucht in den Kellern des Hans-Sachs-Hauses. Das Haus wurde teilweise zerstört.
Bis 1984 war im Hans-Sachs-Haus ein Paternosteraufzug der Firma Schindler in Betrieb.
Nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde das Hans-Sachs-Haus von 1947 bis 1950 wieder aufgebaut und Ende der 1950er Jahre erweitert.
Von 2009 bis 2013 wurde das Gebäude nach Plänen der Architekten Gerkan, Marg und Partner unter Beibehaltung der denkmalgeschützten Backsteinfassade saniert.