1909 – 1911
Architekt: Adolf Loos
Michaelerplatz 3, Wien, Österreich
Das Looshausaus am Michaelerplatz gegenüber der Hofburg in Wien wurde in den Jahren 1909 bis 1911 nach Plänen des Architekten Adolf Loos als Geschäftshaus für den Herrenausstatter Goldmann & Salatsch erbaut.
Heute als eines der wichtigsten Werke der frühen Moderne in der Architekturgeschichte anerkannt, löste es bei den Zeitgenossen durch seinen radikalen Verzicht auf Dekor eine erregte öffentliche Diskussion aus.
Vorgeschichte
Als Leopold Goldmann dem Architekten Adolf Loos den Auftrag zum Bau seines Geschäftshauses erteilte, war Loos bereits vierzig Jahre alt und hatte bis diesem Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt vor allem mit Wohnungseinrichtungen, Vorträgen und Aufsätzen bestritten.
Leopold Goldmann, der mit seinem Geschäftspartner Emanuel Aufricht in Wien das exklusive Schneider- und Modegeschäft betrieb, hatte 1909 einen Wettbewerb zum Bau eines neuen Geschäftshauses am Michaelerplatz ausgeschrieben.
Da keiner der Entwürfe, die aus dem Architekturwettbewerb hervorgegangen waren, den Bauherrn überzeugen konnte, erteilte er Adolf Loos, der eine Teilnahme an der Konkurrenz trotz Einladung Goldmanns abgelehnt hatte, den Auftrag zur Planverfassung.
In gestalterischer Hinsicht hatte Loos freie Hand, Goldmann brachte sich lediglich in die Frage der Grundrissgestaltung ein.
Fassaden
Loos hatte die Ausführung des Baus an den Architekten Ernst Epstein übergeben, der auch die Pläne für den Bauantrag zeichnete. Dieser sah zunächst Fassaden im konventionellen Stil vor.
Im März 1910 wurde die Baugenehmigung erteilt und mit dem Bau begonnen.
Loos begab sich auf Reisen nach Griechenland, Italien, Algier und Marokko um Marmor für seinen Bau auszusuchen.
Im Juli 1910 änderte Epstein in Absprache mit dem Bauamt die Pläne für die Fassaden hin zu einer reinen Lochfassaden mit angedeuteten horizontalen Bändern für eine mögliche Dekoration.
Als im September des gleichen Jahres die Gerüste abgebaut und die Obergeschosse glatt verputzt waren, legte die Baupolizei die Baustelle still. Das Stadtbauamt forderte nachdrücklich die Ausführung der in den Plänen vorgesehenen horizontalen Bänder.
Loos lehnte dies rigoros mit der Begründung ab, er könne ein Haus, das unten auf Marmorsäulen stehe, nicht auch noch oben verzieren. Er schlug vor, die Wirkung des Sockelgeschosses abzuwarten und dann über die Fassade des Obergeschosses zu entscheiden.
Haus ohne Augenbrauen
Die Presse und die Öffentlichkeit hatten durch die Stillegung der Baustelle Kenntnis von den Vorgängen erhalten und es entbrannte ein Sturm der Entrüstung gegen das angeblich kahle Bauwerk, das als Kanalgitterhaus, Haus ohne Augenbrauen (da die damals üblichen Fensterverdachungen fehlten) oder gar als Scheusal von einem Haus tituliert wurde.
Loos machte schließlich einen neuen Fassadenvorschlag und entwarf kupferne Blumenkästen für die Fenster der Obergeschosse. Der Vorschlag wurde der Presse vorgestellt, fand Akzeptanz und wurde im Mai 1912 auch genehmigt.
Bereits im Dezember 1911 hatte Loos im Sophiensaal einen Vortrag vor zweitausend Zuhörern gehalten, in dem er mit seinen Kritikern abrechnete. Loos fand lobende Worte für seinen Bauherrn Leopold Goldmann, der in dem Moment, als ganz Wien über den Bau herzufallen schien, unerschütterlich an seiner Seite stand.
Konstruktion
Das Gebäude von Adolf Loos am Michaelerplatz ist in Eisenbeton-Skelettbauweise errichtet.
Die Geschäftsräume sind in den beiden Sockelgeschoßen untergebracht, die oberen Stockwerke dienten Wohnzwecken.
Erdgeschoß und Mezzanin sind mit Cipollino-Marmor aus Euböa verkleidet, den Loos selbst in den Steinbrüchen ausgewählt hatte.
Vier Säulen aus dem gleichen Material bilden eine offene Vorhalle, die motivisch an den Portikus der benachbarten Michaelerkirche angelehnt ist und das Gebäude in die Reihe der historischen Bauten auf dem Platz eingliedert.
Ein scheinbares Zurückschwingen der Fassade wird im Bereich der Obergeschosse durch die Ausformung der Ecken und der Kranzgesimse angedeutet.
Über den Kapitellen der wegen der Eisenbeton-Rahmenkonstruktion nicht tragenden Säulen ist eine mit Kupfer verkleidete Eisentraverse eingesetzt.
Fassaden
An den Gebäudeerkern der Seitenfassaden werden diese Erkerfenster im Mezzanin zusätzlich von eingestellten Säulen flankiert.
Die oberen Geschosse gestaltete Loos, sich auf die lokale Bautradition berufend, als glatte Kalkputzflächen.
Für die bewußt schmucklose Oberzone, die sich über vier Stockwerke erstreckt, hatte sich Loos nach eigenen Aussagen am Haus Herrengasse Nr. 15/ Landhausgasse Nr. 2 des Architekten Leopold Mayr orientiert.
Die Putzflächen waren ursprünglich grau gefärbt und die Holzrahmen der ansonsten schlichten Fenster waren rot gestrichen.
Errichtet wurde das Haus von dem Bauunternehmen Pittel+Brausewetter.
Ausstattung
Die Ladenaustattung ließ Loos von englischen Tischlern anfertigen.
Auf den Pfeilern des Mezzanin sind Metallplaketten, die über den exklusiven Kundenkreis des Herrenausstatters Auskunft gaben, befestigt. Das Unternehmen Goldmann & Salatsch war Hoflieferant, Kammer-Lieferant, Bayerischer Hoflieferant, Lieferant des Automobilclubs sowie der k. u. k. Marine und des Yachtgeschwaders.
Im Jahre 1944 wurde durch einen Bombeneinschlag im benachbarten Hochhaus Herrengasse auch das Looshaus beschädigt.
Denkmalschutz und Sanierung
Seit 1947 steht das Haus unter Denkmalschutz.
In den 1960er Jahren befand sich in den Geschäftsräumen des Gebäudes ein Möbelhaus.
1987 kaufte die Raiffeisenbank Wien das Gebäude und sanierte es grundlegend.
Die Fassade und das Innere wurden in einen dem Originalgebäude weitgehend angeglichenen Zustand gebracht.
2002 erfolgte durch den italienischen Architekten Paolo Piva eine Sanierung im Souterrainbereich.