1925 – 1927
Architekt: Erwin Gutkind
Archenholdstraße 56-86, Bietzkestraße 6-12, Delbrückstraße 9-15, Marie-Curie-Allee
62-90, Berlin-Friedrichsfelde
Die drei- bis viergeschossig gestaffelten Stahlbetonbauten der Wohnanlage Sonnenhof bilden als Randbebauung einen geschlossenen Block entlang der Archenhold-, Delbrück-, Bietzkestraße und Marie-Curie-Allee in Berlin-Friedrichsfelde.
Bauherr war die Stadt und Land Siedlungsgesellschaft mbH. Ursprünglich bestand der Wohnblock aus 266 Zweieinhalbzimmerwohnungen und zwei Ladengeschäften.
In den Hof hineingebaut ist ein Kinderhort für etwa fünfzig Kinder, der vom Berliner Fröbelverein verwaltet wurde. Die zugehörige Gartenanlage entwarfen Gustav Allinger und Karl Foerster.
Der Entwurf eines großen, parkähnlichen ‚Sonnenhofes‘ in Verbindung mit dem Bau eines Kinderhortes fand in der Presse nationale und internationale Anerkennung und brachte Gutkind den Ruf eines sozial engagierten Architekten ein.
Erwin Gutkind
Erwin Anton Gutkind stammte aus einer jüdischen Familie. Er studierte in Berlin und war als Architekt und Stadtplaner ein Vertreter der klassischen Moderne.
Von Gutkind stammen auch die beiderseits der Heerstraße in Staaken (Berlin-Spandau) 1923 bis 1925 errichteten Häuser der sogenannten Siedlung Neu-Jerusalem und der 1926 entstandene Wohnblock an Thule-, Tal-, Hardanger Straße und Eschengraben am Südrand von Berlin-Pankow.
1933 flüchtete Gutkind nach Paris, 1935 nach London. Seine Ehefrau Margarete Jaffé blieb in Berlin zurück und wurde 1942 in Riga ermordet. Nach dem Krieg wanderte Gutkind in die USA aus und lehrte dort an der Universität von Pennsylvania.
Wohnanlagen Berlin
Gutkinds Wohnsiedlungen in Berlin entstanden in der Zeit nach der Inflation. Zwischen 1925 und 1929 erreichte der wirtschaftliche Aufschwung der Weimarer Republik einen Höhepunkt, der sich in einem regelrechten Bauboom niederschlug.
Ganze Straßenzüge wurden erschlossen, um in den Vororten Berlins einheitliche Wohnviertel zu planen. Ermöglicht wurde dies durch die umsichtige Bodenpolitik der Stadt, die nach dem inflationsbedingten Verfall der Bodenpreise Grundstücke aufkaufte und so eine vorausschauende Vorratswirtschaft betrieb.
Rund ein Drittel der Gesamtfläche Berlins befand sich so in städtischem Besitz und konnte von dort aus verteilt werden.
Baulandbestand
Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte Berlin zahlreiche große Flächen aufgekauft, darunter bereits 1874 die Gutsbezirke Giesensdorf (heute Lichterfelde), Marzahn und Falkenberg.
Das Tempelhofer Feld, ein ehemaliges Militärgelände, wurde vom preußischen Staat erworben, und auch die Domänen Dahlem und Ruhleben übernahm die Stadt nach langen Verhandlungen vom Staat.
Später, 1924, kamen die ehemaligen Gutsbezirke Britz, Biesdorf, Marienfelde, Düppel und Kladow hinzu, um auch sie der Bodenspekulation zu entziehen.
Damit hatte sich Berlin frühzeitig und vorausschauend einen großen Baulandbestand gesichert, der den Siedlungsbau der Zwanziger Jahre überhaupt erst ermöglichte.
Sonnenhof
Gutkind gruppierte seine Wohnanlage um einen lichten Gartenhof mit Kinderhort und Spielplätzen.
Die Außenfassaden betonen mit ihren Backsteinflächen Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit, während die Hoffassaden mit leichten, hellen Putzflächen und farbigen Akzenten die Wohnlichkeit unterstreichen.
Die Balkone öffnen die Wohnungen zum Grünbereich und der Parkanlage.
Die Konzeption einer Wohnanlage, die insbesondere Familien mit zwei berufstätigen Elternteilen entlastet, bot neue Möglichkeiten des Zusammenlebens.
Die Kinder wurden tagsüber in der Kindertagesstätte betreut, die Teil ihres Hauskomplexes war, zwei Läden sicherten die Nahversorgung und der begrünte Innenhof bot Erholung nach der Arbeit.
1928 fand die Ausstellung ‚Klein-Heim oder Kein Heim – Kleinstwohnungen für Kleinverdiener‘, organisiert von Jakobus Goettel, im Sonnenhof statt.
Fassaden und Grundrisse
Straßenseitig fasst eine einheitlich gegliederte Bandfassade aus wechselnden Putz-, Sichtbeton- und Klinkerschichten den Block zu einem homogenen Gesamtvolumen zusammen.
Die Ausbildung der Treppenhäuser an den Blockecken verleiht dem Block eine plastische Körperlichkeit und verbindet die Blockseiten durch durchlaufende Betonriegel und Klinkerbänder.
Treppenhaus und Balkone gliedern die hofseitigen Fassaden.
In den Wohnungen sind zum Hof hin Küche, Bad und Kammer angeordnet, von denen aus die an das Treppenhaus angegliederten Balkone zugänglich sind. Zur Straße hin liegen die Wohn- und Schlafräume.
Gestaltung Innenhof
Die Gestaltung des großen, parkähnlichen Innenhofes stammt von Gustav Allinger und Karl Förster. Sie orientiert sich am eingeschossigen Kinderhort, der hofseitig T-förmig aus der Blockfront heraustritt und von einem baumbestandenen Geviert mit Spielplätzen umgeben ist.
Daran schließen sich beidseitig von Hecken eingefasste Freiflächen an. Diese Freiflächen sind heute dicht mit Bäumen bewachsen.
Ein umlaufender Fußweg betont den öffentlichen Charakter der Parkflächen und trennt sie von den gegenüberliegenden Hausgärten.
Im Hof befand sich der Kinderhort, ein Pavillon aus aneinandergereihten Doppelfenstern und Glastüren mit einem Flachdach, dessen Schmalseite in der Mitte der Fassade lag (heute stark verändert).
Drei Räume konnten durch verschiebbare Wände auf Schienen erweitert werden. Ein Raum war für Bewegungsspiele oder als Schlafraum vorgesehen, die anderen als Beschäftigungs- und Speiseräume. Für Feste konnten die drei Einzelräume zu einem Saal verbunden werden.
Gustav Allinger
Gustav Allinger (1891-1974) war Garten- und Landschaftsarchitekt.
1920 gestaltete er den Hauptfriedhof Dortmund und 1924 den expressionistischen Garten „Auf dem Kristallberg“ für eine Ausstellung des Verbandes Deutscher Gartenarchitekten, der an die Arbeiten Bruno Tauts erinnerte.
Er gewann den Wettbewerb für die Dresdner Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung 1926, deren künstlerischer Leiter er wurde. 1927 war er künstlerischer Leiter der Deutschen Gartenbau- und Schlesischen Gewerbe-Ausstellung Liegnitz (GUGALI).
Bekannt wurde er durch seinen Entwurf ‚Kommender Garten‘ für Dresden, ein in der Fachwelt viel diskutiertes Idealbild eines modernen Hausgartens.
Als Anhänger der Nationalsozialisten trat er am 1. April 1933 in die NSDAP ein. Von 1934 bis 1938 war er an der Planung der Reichsautobahnen beteiligt.
Karl Foerster
Karl Foerster war Botaniker und berühmt für seine Staudenzüchtungen. 1903 gründete Karl Foerster auf dem elterlichen Grundbesitz in der Ahornallee 32, Berlin-Westend, eine Staudengärtnerei.
Von 1910 bis 1911 verlegte er sie nach Bornim bei Potsdam. Dort gestaltete Foerster ein etwa 5.000 m² großes Ackergrundstück zu einem Gartenreich, dem Karl-Foerster-Garten, mit Senkgarten, Steingarten, Herbstbeet und Frühlingsweg um.
Dieser Garten ist stilistisch von Willy Lange beeinflusst. Er wurde in den 1930er Jahren von Hermann Mattern umgestaltet und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Hermann Göritz mehrfach restauriert beziehungsweise rekonstruiert.
Umbau Sonnenhof
Zwischen 1972 und 1973 erfolgte im Rahmen des Modernisierungsprogramms der DDR eine Aufstockung der Wohnanlage durch den Ausbau der Dachgeschosse, sodass der Sonnenhof von ursprünglich 260 auf nunmehr 333 Wohnungen erweitert werden konnte.