1927 – 1929
Architekt: Fritz Nathan
Eckenheimer Landstraße 238, Frankfurt am Main
Der Neue Jüdische Friedhof entstand in den Jahren 1927 bis 1929 nach Plänen des Regierungsbaumeisters Fritz Nathan. Er ist eine jüdische Begräbnisstätte in Frankfurt am Main, die an den Hauptfriedhof Frankfurt angrenzt.
Der Friedhof wurde 1929 eröffnet, nachdem der bis dahin genutzte Alte Jüdische Friedhof für Bestattungen zu klein geworden war und nicht mehr erweitert werden konnte. Der Friedhof wird bis heute von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt für Bestattungen genutzt.
Lage
Der Friedhof liegt im Frankfurter Stadtteil Eckenheim, östlich der Eckenheimer Landstraße. Der Friedhof grenzt im Süden und Osten an den Hauptfriedhof. Er hat eine Größe von 54.532 Quadratmetern.
Vorgeschichte
Die ersten Planungen für einen neuen Friedhof gehen auf das Jahr 1914 zurück. Zu diesem Zeitpunkt war bereits abzusehen, dass der alte Friedhof an der Rat-Beil-Straße für die Bestattungen zu klein werden würde. Für die Anlage eines neuen jüdischen Friedhofs wurde ein Grundstück an der Homburger Landstraße zwischen Friedberger Warte und Marbachweg ins Auge gefasst und erworben.
Wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Stadt Frankfurt über eine Bebauung an dieser Stelle einigte man sich auf die Anlage des Friedhofs an der Eckenheimer Landstraße neben dem Hauptfriedhof. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzögerte die Planung und Umgestaltung.
Wettbewerb
Erst 1921 konnte ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden. Acht Frankfurter Architekten wurden zu Entwürfen aufgefordert, darunter Franz Roeckle, der in Frankfurt bereits die Westend-Synagoge und ein Israelitisches Krankenhaus gebaut hatte.
Die Jury vergab drei gleichwertige Preise, die Gemeinde beschloss, Roeckles Pläne weiterzuverfolgen. Als Roeckle, selbst kein Jude, 1923 die NSDAP unterstützte, kam es zum Bruch.
Zur Klärung der weiteren Vorgehensweise wurde der jüdische Architekt Fritz Nathan hinzugezogen, der an der Planung des Ehrenfeldes auf dem Israelitischen Friedhof in Berlin-Weißensee für die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten beteiligt gewesen war.
Bauprogramm
1924 beschloss die Gemeinde ein neues Bauprogramm: Der neue jüdische Friedhof sollte die Tradition würdiger und einheitlicher jüdischer Begräbnisstätten mit modernen hygienischen und technischen Anforderungen verbinden, die die Vielzahl der Bestattungen einer Großgemeinde mit sich brachte.
Das äußere Erscheinungsbild des Portals, der Einfriedung und der Gebäude soll durch die Verwendung solider Materialien und einfacher Formen, durch die geschlossene Silhouette der Gesamtanlage eine feierliche Monumentalität erreichen.
Mit einfachsten Mitteln ist durch Proportion und Farbgebung ein Ort des Friedens zu schaffen, der ohne plastischen und malerischen Schmuck die ernste und pietätvolle Bestimmung der Anlage zum Ausdruck bringt (Fritz Nathan, Der neue Friedhof. Baubeschreibung, Frankfurter Israelitisches Gemeindeblatt 8, 1929/30).
Ausführung
Schließlich wurde der Stadtbaumeister Fritz Nathan mit der Ausführung beauftragt. Im Juli 1925 begannen die ersten Tiefbauarbeiten, doch die Stadt Frankfurt beanspruchte das Gelände für sich, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.
Nach langen Verhandlungen einigte man sich auf ein von Kleingärtnern genutztes Areal an der Eckenheimer Landstraße. Nach der Verlegung der Kleingärten konnte im Frühjahr 1927 mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Eingang
Das dreiteilige Eingangsportal führt in einen Ehrenhof, dahinter liegen die Grabstätten, an die sich rechts das Verwaltungsgebäude und links die Trauerhalle anschließen.
Der einzige Schmuck der Fassade ist der Mauerverband aus rotbraunen holländischen Klinkern, die kontrastierenden umlaufenden Kupferbänder der Dachabschlüsse sowie die schmiedeeisernen Tore.
Die Inschrift über den Portalen zitiert Psalm 116,9: „Wandeln werd ich vor dem Antlitz des Ewigen in den Gefilden des Lebens“.
Gestaltung
Das Hauptgebäude des neuen Friedhofs wurde vom Frankfurter Regierungsbaumeister Fritz Nathan geplant. Im Rahmen des städtebaulichen Programms Neues Frankfurt entwarf er einen rotbraunen Klinkerbau im Stil der Neuen Sachlichkeit.
Nathans Entwurf überzeugt durch ein symmetrisches Gebäudeensemble, das durch seine strenge lineare Kubatur, die geschlossenen Flächen, die einheitliche Materialität und die Konzentration auf die Funktionalität den Friedhof klar vom Straßenraum trennt und ihm einen Ort der Besinnung voranstellt.
Der gepflasterte Innenhof ist von einer Kolonnade umgeben. Die fast quadratische Ausdehnung des Platzes und die quadratische Pflasterung unterstreichen die Stringenz der Anlage. Rechts erhebt sich das Verwaltungsgebäude, links die Trauerhalle, beide als schlichte längsrechteckige Kuben dominierend.
Trauerhalle
Die Trauerhalle nimmt den Rhythmus der Kolonnade in der Gestaltung des portikusartigen Zugangs auf. Das Trauerhaus selbst überragt diesen Bereich leicht versetzt und nimmt die Gliederung des Portikus in einem Fensterband auf. Verbindendes Element des Ensembles sind neben dem Klinker die kontrastierenden umlaufenden Kupferbänder als Dachabschluss oder Fries.
Durch fünf hohe Arkaden und fünf Bronzetüren, über denen sich Fenster befinden, die den Raum erhellen, gelangt man in den großen Saal. Die niedrigen Portale auf der linken Seite führen in den kleinen Saal, der bei Bedarf mit dem großen Saal verbunden werden kann. Er wird von einer farbigen Glaswand erhellt. Durch die Portale auf der rechten Seite gelangt man in den Kaddisch-Gebetsraum.
Die mittlere Bronzetür trägt die Inschrift in hebräischer und deutscher Sprache: „Alle Tränen, die einer vergießt um eines Gerechten willen: Der Heilige, gepriesen sei er, zählt sie und bewahrt sie in seiner Schatzkammer auf.
Friedhofsgelände
Auf dem Friedhofsgelände befinden sich die Gräber von etwa 8000 Verstorbenen. Im Gegensatz zum alten Friedhof an der Rat-Beil-Straße ist der neue Friedhof wesentlich schlichter gehalten. Monumentale oder reich geschmückte Gräber sind hier kaum zu finden.
Der neue Friedhof gleicht damit in seiner Gestaltung eher den traditionellen jüdischen Friedhöfen, die in einfacher Bauweise errichtet wurden und damit im Einklang mit den Grundgedanken des damaligen Frankfurter Beigeordneten Ernst May standen.
Die durch Hecken voneinander getrennten Grabfelder sind auf eine Hauptachse ausgerichtet, die sich vom Portal bis zu einer großen Menora erstreckt.
Die durch Hecken voneinander getrennten Grabfelder sind auf eine Hauptachse ausgerichtet, die sich vom Portal bis zu einer großen Menora erstreckt.
Entlang der Hauptachse befinden sich etwa 800 Gräber von Frankfurter Juden, die infolge der Deportationsbefehle Selbstmord begingen. Diese Gräber sind einheitlich gestaltet und tragen die Inschrift „Gestorben für die Heiligung des Namens“.
Friedhofsmauer
1939 wurde eine 165 Meter lange Mauer zwischen dem Neuen Portal des Hauptfriedhofs und dem Gelände des Neuen Friedhofs errichtet. Die Friedhofsmauer besteht aus Steinen der beim Novemberpogrom von 1938 zerstörten Hauptsynagoge und der im Januar 1939 abgerissenen Börneplatzsynagoge. Auf die Herkunft des Baumaterials weist heute eine Gedenktafel hin.
Mahnmal und Grabstätten
Im vorderen Teil des Friedhofs befinden sich das Mahnmal für die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Frankfurter Juden, das Grab des ersten Vorsitzenden der Israelitischen Gemeinde bis 1939, Julius Blau, und das Grab des 1929 verstorbenen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig.
Dort befinden sich auch die Gräber der in der Nachkriegszeit aktiven Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Auch die 1938 verstorbene Frankfurter Sozialpolitikerin Henriette Fürth ist hier begraben.
Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof gibt es heute über 8.000 Grabstätten.
Der Friedhof ist außer samstags und an jüdischen Feiertagen frei zugänglich. Von männlichen Besuchern wird das Tragen einer Kopfbedeckung erwartet.