1897 – 1898
Architekt: Martin Dülfer
Maria-Theresia-Straße 27, München-Bogenhausen
Die von Martin Dülfer für den Freiherrn Clemens von Bechtolsheim entworfene Villa in München-Bogenhausen ist wahrscheinlich der älteste erhaltene Jugendstilbau in Deutschland.
Der Ingenieur Clemens von Bechtolsheim
Clemens von Bechtolsheim, geboren 1852 in München, war ein deutscher Ingenieur und Unternehmer.
Erste Ideen und Entwicklungen erregten bereits 1867 die Aufmerksamkeit des Physikers Philipp von Jolly, der Bechtolsheim Privatunterricht erteilte, um ihn auf ein Maschinenbaustudium am Polytechnikum in München vorzubereiten. Dort lernte Bechtolsheim den Maschinenbauer Carl von Linde kennen. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit Kältetechnik und Wärmepumpen. Eine enge Freundschaft verband ihn bald auch mit Rudolf Diesel.
Bei der klassischen Salzgewinnung in Salinen erkannte Bechtholsheim den hohen Energieaufwand und entwickelte das Verfahren der Vortrocknung mittels Zentrifuge und der Nachtrocknung auf einem Hordengestell.
Er besaß insgesamt 44 Patente für seine Erfindungen. 1886 baute er den Alfa-Separator für Milchzentrifugen, der durch verfeinerte Tellereinsätze in der Scheidetrommel mehr Rahmabscheidung ermöglichte und umgehend in allen Geräten eingebaut wurde.
1889 heiratete Bechtolsheim in Augsburg Therese Gräfin Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn. Seine Erfindungen fanden im Ausland stärkere Beachtung als in seinem Heimatland Deutschland. Kurz nach der Hochzeit zog er nach Stockholm, wo zwei seiner drei Kinder geboren wurden.
Er arbeitete für die Firma Alpha-Laval in Stockholm. Bis 1902 wurden etwa 275.000 Alfa-Zentrifugen verkauft. 1904 baute Bechtolsheim sein eigenes Werk, die Alphawerke Gauting, um seinen Separator herzustellen.
Der Architekt Martin Dülfer
1886 hatte Dülfer sein Studium an der Technischen Hochschule München abgeschlossen, ein Jahr später machte er sich in München selbstständig. Zunächst errichtete er Bauten im zeit- und regionaltypischen Neobarock des Historismus.
Um 1900 wandte sich Dülfer dem Jugendstil zu. So entstanden Geschäftshäuser und Villen für das gehobene Bürgertum – wie das Geschäftshaus des Verlags der Münchner Allgemeinen Zeitung in der Bayerstraße, das 1929 grundlegend modernisiert wurde.
Villa Bechtolsheim
1895 erwarb Clemens von Bechtolsheim von der Stadt München ein 3940 Quadratmeter großes Grundstück gegenüber den Maximiliansanlagen..
Das Haus Maria-Theresia-Straße 27 mit vorspringendem Ovalturm und Zentralheizung wurde von August 1896 bis April 1898 errichtet.
Die Stuckdekorationen stammen von Richard Riemerschmid. Riemerschmid fand sein Vorbild in den Arbeiten des Architekten Louis Henry Sullivan, der seine Stahlskelettbauten mit ornamentalen Elementen versah.
Bis auf die Umfassungswände der Kellerräume, die aus Betonmauerwerk bestehen, ist das gesamte Gebäude in Ziegelmauerwerk unter sparsamer Verwendung von Haustein ausgeführt und mit einem Ziegeldach versehen.
Die Fassaden sind mit Rauhputz versehen. Die Decken bestehen aus Beton zwischen Stahlträgern.
Bei der Gestaltung des an allen vier Seiten freistehenden Gebäudes, dessen Hauptfassade nach Nordwesten durch einen 10 Meter breiten Vorgarten von der Straße abgetrennt ist, hat der Architekt sichtlich jede Anlehnung an historische Stile vermieden, um dem Bau ein modernes Erscheinungsbild zu geben.
Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll in den Ornamenten des Turmfrieses, die nach Entwürfen von Richard Riemerschmid von der Stuckateurfirma Alfred Völker in München frei in Zement auf den rauen Kalkmörtelgrund aufgetragen wurden.
Die Schlosserarbeiten und Gartengitter wurden von der Kunstschlosserei Grohmann ausgeführt.
Grundriss und Innenräume
Im Hochparterre gehen alle Aufenthaltsräume von einer zentralen achteckigen Halle aus, deren abgeschrägte Ecken als Verteilerräume oder Zugänge zu den Salons genutzt werden. Durch das Versetzen von zwei breiten Glastrennwänden konnte das Treppenhaus mit der Halle und dem Wintergarten zu einer großzügigen Raumflucht von etwa 15 Metern Länge verbunden werden.
Im Obergeschoss befanden sich die Schlafzimmer, im Dachgeschoss die Dienstbotenzimmer. Das Turmzimmer mit seinen umlaufenden Fenstern gab den Blick auf die Maximiliansanlagen frei und diente dem Hausherrn als Zeichenatelier. Im Fußboden befand sich eine verschließbare Öffnung, durch die eine Tischlein-deck-dich-Vorrichtung hochgezogen werden konnte.
Die floralen Ornamente des Jugendstils finden sich in den schmiedeeisernen Geländern und den Stuckarbeiten der Innenräume wieder.
Die Restaurierung der Villa 1970 orientierte sich weitgehend am Originalzustand. Heute steht die Villa unter Denkmalschutz.