1907 – 1910
Architekt: Michael Kurz
Augsburger Straße 23a, Augsburg
Die katholische Kirche Herz Jesu wurde in den Jahren 1907 bis 1910 als Stadtpfarrkirche nach Plänen des Architekten Michael Kurz im Augsburger Stadtteil Pfersee errichtet.
Im Innern hat sich eine der umfangreichsten, weitgehend erhaltenen Ausstattungen in Formen des Jugendstils im Süden Deutschlands erhalten.
Vorgeschichte
1892 war ein Kirchbauverein gegründet worden, 1907 erfolgte die Grundsteinlegung. Die Kirchweihe fand am 29. Mai 1910 durch Bischof Maximilian von Lingg statt.
Bei dem Kirchengebäude handelt es sich um eine dreischiffige Basilika mit Querhaus, westlichem Turm mit gestrecktem Glockendach und verputzten Fassaden.
Die Kirche erhebt sich im Zentrum von Pfersee beherrschend über den gesamten Stadtteil. Der viereckige Westturm mit seiner geschwungenen Haube ist mit 72 Metern Höhe weithin sichtbar. Er überragte einst alle Fabrikkamine von Pfersee und dominiert noch heute den gesamten Ausburger Westen.
Pfersee
Im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bevölkerung des um die Pfarrkirche St. Michael gruppierten Dorfes Pfersee innerhalb kürzester Zeit.
Die Nähe zur Stadt Augsburg, verfügbare Arbeitskräfte mit Handwerkserfahrung, die Wasserkraft des Mühlbachs und die Anbindung an den Augsburger Hauptbahnhof durch die Lokalbahn hatten die Ansiedlung von Fabriken in Pfersee gefördert. Vertreten waren Unternehmen der Textilindustrie, der Metallindustrie sowie der chemischen Industrie.
1911 wurde Pfersee nach Augsburg eingemeindet.
Die bestehende Pfarrkirche Sankt Michael wurde durch den Bevölkerungszuwachs innerhalb kurzer Zeit zu eng und man plante zunächst eine Erweiterung.
Wettbewerb
1894 entschloss man sich unter dem Stadtpfarrer Anton Schwab zu einem Neubau. Bereits im Jahr darauf fand sich an der Augsburger Straße ein passender Bauplatz, der vom Kirchbauverein angekauft wurde.
Erste Entwürfe des Münchner Architekten Johann Marggraff von 1894 zeigten eine neuromanische dreischiffige Basilika.
Den endgültigen Zuschlag erhielt 1905 der Architekt Michael Kurz für seine ebenfalls neuromanischen Entwürfe. Diese entwickelte Kurz jedoch im Zuge des Bauens im Sinne der beginnenden Moderne weiter.
Für Details der Ausstattung wie Beichtstühle und Opferstöcke legte er im Laufe der Zeit ebenfalls Entwürfe vor und schuf so ein Gesamtkunstwerk.
In seinem ‚Programm über die künstlerische Ausstattung der neuen katholischen Kirche in Pfersee‘ vom 26. Januar 1909 legte er sein Konzept dar: „Der Stil des Baues lehnt sich an das Romanische an, doch ist die Raumwirkung und das Detail modern. Die Einrichtung und Ausmalung sollen, soweit Zweck und Stimmung uns es erlauben, modern werden.“
Bauwerk
Die Grundsteinlegung erfolgte am 7. Juli 1907, am 18. Januar 1908 waren Rohbau und Dachstuhl fertiggestellt, 1909 der Kirchturm und die Fenster, Anfang 1910 der Tabernakelaltar.
Am 29. Mai 1910 weihte Bischof Maximilian von Lingg die Kirche.
Die Ausmalung des Chores begann der Maler Christoph Böhner im Sommer 1912 in Kasein-Technik und schloss sie im folgenden Jahr ab.
Der Künstler Theodor Baierl malte ab Juni 1912 den Kreuzweg. Seine Fresken über den Seitenaltären entstanden 1914, die Wand- und Deckengemälde in der Marienkapelle folgten erst 1930 bis 1931.
Ausstattung
Der linke Seitenaltar von Bildhauer Hans Miller wurde als Exponat der Münchner Gewerbeausstellung 1912 erworben. Von Miller stammen auch die Bronzereliefs des rechten Seitenaltars aus dem Jahr 1908.
Der Kuppelbau über dem Hochaltar wurde 1914 errichtet.
Das Hochrelief der Kanzel, das erst nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen wurde, ist ein Entwurf des Bildhauers Karl Baur.
Farbe
Die Raumfarbigkeit dient der Ausrichtung auf den Chor und auf die leuchtende Bemalung der Apsis. Die Wände der Seitenschiffe und der Querarme waren ursprünglich violett getönt.
Darüber ging die Ausmalung in ein helleres Violett über, das in den Querarmen bis an die oberen Fenster reichte.
Die Wandflächen waren wie im Mittelschiff weiß gehalten und korrespondierten mit dem Natursteinton der Pfeiler und Säulen.
Diese Farbigkeit, die den Einheitsraum im Sinne des Jugendstils unterstrich, wurde bei der Innenrestaurierung in den Jahren 1970 bis 1971 aufgegeben.
Der ursprüngliche Raumeindruck ist somit stark verändert. Die violette Tönung blieb nur noch im Chor und im Sockel der Apsis erhalten.
Decke und Fußboden
Mittelschiff und Querhaus weisen eine Flachdecke aus Holz in streng geometrischem Raster auf. Sie ist mit Stuck und vergoldeten Holzverzierungen geschmückt. Die Seitenschiffe werden durch ein Kreuzgewölbe abgeschlossen.
Der Fußboden besteht aus Solnhofer Platten.
Altar
Der Tabernakelaltar wird von einem prächtigen Kuppelbau auf neun Säulen aus Calacatta-Marmor mit Bronzekapitellen nach einem Entwurf von Michael Kurz aus den Jahren 1914 bis 1915 überwölbt.
Jakob Rehle entwarf 1910 den vergoldeten Tabernakel. Er ist an seinen Ebenholztüren mit Emailleeinlagen besetzt, die vier Symbole Christi darstellen: Phönix, Osterlamm, Einhorn und Pelikan.
Der Tabernakelaufbau aus graublauem Jura-Marmor nach einem Entwurf von Friedrich Pöhlmann aus dem Jahr 1910 findet seinen Abschluss in einer Kreuzigungsgruppe.
Die goldglänzende Kuppel aus Holz mit Kupferblechverkleidung ist mit opalfarbigen Glasgemmen besetzt. Zwischen den Säulen hängen acht Lampen aus Messing mit opalblauen Gläsern. Den oberen Abschluss bildet ein Herz, umgeben von einem geschmückten Kranz.
Fenster und Kanzel
Die Fenster gestaltete Hans Bockhorni. Die Kanzel aus Treuchtlinger Marmor ist ein Entwurf des Bildhauers Karl Baur.
Erhalten haben sich die sechs ornamental verzierten Hängelampen in den Rundbogenarkaden des Mittelschiffs nach einem Entwurf des Metallbildhauers Eugen Ehrenböck aus München aus dem Jahr 1910.
Sanierung
Die 1944 im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kunstverglasungen konnten 1947 von Wilhelm Pütz wiederhergestellt werden.
An der Turmfront befindet sich über dem Haupteingang eine 1937 angebrachte Kreuzigungsgruppe aus Muschelkalk von Karl Baur.
1955 wurden die Fassaden des Kirchenbaus restauriert.
Die Innenrestaurierung von 1970 bis 1971 fand 1975 mit der Renovierung der Marienkapelle. ihren Abschluss.
Nach Reparaturen am Turm 1983, an den Seitenschiffen 1986 und am Fundament 2000 konnte 2008 bis 2009 der Dachstuhl saniert, der Dachreiter gesichert und das Dach neu eingedeckt werden.
Die Fenster wurden überarbeitet und die Fassade erhielt einen Anstrich in einem Ockerton.